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Krimkrieg

Der letzte Kreuzzug

Erschienen am 06.02.2016
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783827012586
Sprache: Deutsch
Umfang: 752 S.
Format (T/L/B): 4.5 x 21.5 x 13.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

'Es gibt viele Parallelen zwischen dem Krimkrieg von 1853 bis 1856 und dem heutigen Konflikt. Die Schikane des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegenüber der Ukraine und seine Forderungen nach einer neuen Regierung erinnern sehr stark an die Politik des russischen Zaren Nikolaus I. (1796-1855) gegenüber dem Osmanischen Reich am Vorabend des Krimkriegs. Zar Nikolaus I. war eine finstere Gestalt mit übertriebenem Stolz und Arroganz, was gewiss Ausdruck seiner 27 Jahre andauernden Herrschaft war. Er glaubte zu wissen, wie sich eine Großmacht gegenüber schwächeren Nachbarn zu verhalten hätte.' Orlando Figes, 'Frankfurter Rundschau' Der Krimkrieg ist eines der Schlüsselereignisse des 19. Jahrhunderts, und doch sind seine Dimensionen und Hintergründe hierzulande wenig bekannt. Frankreich, Großbritannien und das Osmanische Reich auf der einen Seite und Russland auf der anderen waren in einen erbitterten Kampf um Territorium und Religion verstrickt. Der Krieg dauerte von 1853 bis 1856, kostete annähernd eine Million Soldaten und zahllose Zivilisten das Leben und sorgte dafür, dass das bis dahin enge Verhältnis zwischen dem unterlegenen Russland und Westeuropa nachhaltig gestört war. Verletzter Stolz und Zorn auf den Westen prägen bis heute die russische Erinnerung an den Krimkrieg. Der damalige Zar Nikolaus I. genießt in Putins Russland den Ruf eines vaterländischen Helden. Orlando Figes, der brillante Erzähler unter den heutigen Russland-Historikern, schildert diesen ersten Flächenbrand der Moderne, der mit außerordentlicher Grausamkeit und erschreckender Inkompetenz ausgefochten wurde. Auf der Basis von zuvor nicht ausgewerteten russischen, osmanischen und westeuropäischen Quellen zeichnet er eindrücklich eine Welt im Krieg: die Paläste in St. Petersburg und die heiligen Stätten in Jerusalem, den jungen Tolstoi, der aus dem belagerten Sewastopol berichtet, die berühmte Krankenschwester Florence Nightingale, die bei der medizinischen Versorgung der Verwundeten Pionierarbeit leistet, und den einfachen Soldaten im Schützengraben.

Autorenportrait

Orlando Figes, geboren 1959 in London, lehrt Geschichte am Birkbeck College in London. Er ist nicht nur einer der besten Kenner der russischen Geschichte, sondern zugleich ein überragender Erzähler. Über sein preisgekröntes Meisterwerk »Die Tragödie eines Volkes« (1998; Neuausgabe 2008) schrieb der große Historiker Eric Hobsbawm, es werde »mehr zum Verständnis der russischen Revolution beitragen als irgendein anderes Buch, das ich kenne«. Seine Bücher »Nataschas Tanz. Eine Kulturgeschichte Russlands« (2003; Neuausgabe 2011), »Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland« (2008) sowie »Krimkrieg« (2011; Neuausgabe 2014) wurden von der Kritik ebenfalls begeistert aufgenommen. Alle vier Bücher sind im Berlin Verlag erschienen.

Leseprobe

Sewastopol selbst wurde im kollektiven Gedächtnis zu einer gleichsam heiligen Stätte erhoben. Die Verehrung der gefallenen Helden der Belagerung begann unmittelbar nach Kriegsende, nicht auf Initiative der Regierung und offizieller Kreise, sondern durch Schritte der Allgemeinheit: Familien und Gruppen von Veteranen ließen mit o¨ffentlichen Spendengeldern Monumente errichten, Kirchen gründen, Friedho¨fe anlegen und Wohltätigkeitsfonds stiften. Den Mittelpunkt dieses demokratischen Kultes bildete das Gedenken an die Admirale Nachimow, Kornilow und Istomin, die Volkshelden von Sewastopol. Sie wurden verklärt als 'Männer des Volkes', die sich dem Wohlergehen ihrer Soldaten gewidmet hätten und als Märtyrer bei der Verteidigung der Stadt gestorben seien. Im Jahr 1856 organisierte man einen nationalen Fonds, um die Errichtung eines Denkmals für die Admirale in Sewastopol zu finanzieren, und in vielen anderen Städten kam es zu ähnlichen Initiativen. Kornilow war die zentrale Gestalt zahlreicher Geschichtsschreibungen des Krieges. Nachimow, der Held von Sinope und praktisch ein Heiliger in der Folklore der Belagerung, erschien in Erzählungen und auf Drucken als unerschrockener und selbstloser Soldat, als Märtyrer für die heilige Sache des Volkes, der auf seinen Tod vorbereitet gewesen sei, als er bei der Musterung der Vierten Bastion niedergeschossen wurde. Ausschließlich durch private Finanzierung gründete man 1869 das Museum der Schwarzmeerflotte in Sewastopol. Die Menschenscharen, die am Ero¨ffnungstag erschienen, konnten sich verschiedene Waffen, Geräte und perso¨nliche Gegenstände, Manuskripte und Karten, Zeichnungen und Stiche ansehen, die man bei Veteranen gesammelt hatte. Es war das erste historische Museum mit derart o¨ffentlichem Charakter in Russland. Der russische Staat fo¨rderte das Andenken an Sewastopol erst in den späteren 1870er Jahren, zur Zeit des russisch-­türkischen Krieges, hauptsächlich infolge des wachsenden Einflusses der Panslawisten in Regierungskreisen. Diese offiziellen Initiativen galten jedoch Günstlingen des Hofes wie General Gortschakow und ließen den Volkshelden Nachimow im Grunde außer Acht. Unterdessen war der Admiral zum Symbol einer nationalistischen Volksbewegung geworden, die das Regime seinem eigenen Begriff der 'Offiziellen Nationalität' unterordnen wollte, indem es Denkmäler für den Krimkrieg bauen ließ. Im Jahr 1905, einem Jahr der Revolution und des Krieges gegen Japan, wurde ein prächtiges Panoramabild mit dem Titel 'Die Verteidigung von Sewastopol' in einem eigens dafür errichteten Museum am einstigen Standort der Vierten Bastion enthüllt, um den fünfzigsten Jahrestag der Belagerung zu begehen. Regierungsvertreter bestanden darauf, Nachimows Porträt durch eines von Gortschakow in Franz Roubauds lebensgroßem Gemäldemodell zu ersetzen, das die Ereignisse vom 18. Juni wiedergibt, als die Verteidiger von Sewastopol den Angriff der Briten und Franzosen zurückschlugen. Nachimow kam also nicht in dem Museum vor, das an genau der Stelle gebaut worden war, wo er seine to¨dliche Verwundung davongetragen hatte. Das sowjetische Gedenken an den Krieg legte die Betonung wieder auf die Volkshelden. Nachimow wurde zum Sinnbild für das patriotische Opfer und das Heldentum des russischen Volkes bei der Verteidigung seiner Heimat - eine Propagandabotschaft, die im Krieg von 1941-1945 einen neuen Nachdruck erhalten sollte. Ab 1944 wurden sowjetische Marineoffiziere und Matrosen mit dem Nachimow­-Orden ausgezeichnet und in nach ihm benannten Kadettenanstalten ausgebildet. In Büchern und Filmen schilderte man ihn als Symbol des großen Führers, der die Menschen zum Kampf gegen einen aggressiven ausländischen Feind aufrief. Die Dreharbeiten zu Wsewolod Pudowkins patriotischem Film 'Admiral Nachimow' (1947) begannen im Jahr 1943, als Großbritannien mit der Sowjetunion verbündet war. In dem Rohschnitt des Streifens, der als sowjetisches Gegenstück zu Alexander Kordas Kriegsepos über Lord Nelson, 'Lady Hamilton'